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Die große WEG-Reform ist da!


Zum 01.12.2020 trat das umfassend geänderte Wohnungseigentumsgesetz in Kraft. Die Schwerpunkte der Reform liegen in folgenden Bereichen:

  1. Förderung der Elektromobilität, der Barrierereduzierung, des Einbruchsschutzes und des Glasfaseranschlusses

  2. Erleichterung baulicher Maßnahmen

  3. Stärkung der Rechte der Wohnungseigentümer

  4. Stärkung des Verwaltungsbeirats

  5. Nutzung der Möglichkeiten der Digitalisierung

  6. Rechtssicherheit in der Begründungsphase – werdende Wohnungseigentümergemeinschaft

  7. Harmonisierung von Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht

  8. Vereinfachung der Jahresabrechnung

  9. Ordnung der Rechtsbeziehungen in der Gemeinschaft

  10. Stärkung der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft

  11. Stärkung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rechtsverkehr

  12. Sondereigentumsfähigkeit von Freiflächen

  13. Modernisierung des gerichtlichen Verfahrensrechts



Die einzelnen Änderungen werden im Folgenden, unter Bezugnahme auf den Gesetzesentwurf, näher erläutert:


1. Förderung der Elektromobilität, der Barrierereduzierung, des Einbruchsschutzes und des Glasfaseranschlusses

Nach geltendem Recht bedarf jede bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, die durch die Maßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 22 Absatz 1 in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG). Nach Ansicht der Rechtsprechung liegt die Schwelle zu einer Beeinträchtigung recht niedrig.

Selbst wenn eine Maßnahme als Modernisierung im Sinne des § 22 Absatz 2 WEG einzuordnen ist, muss sie durch eine Mehrheit von drei Vierteln aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden. Auch diese hohen Quoren werden in der Praxis selten erreicht. Zudem besteht die Vorgabe, dass durch die bauliche Maßnahme die „Eigenart der Wohnanlage“ nicht geändert werden darf. Die bislang geltende Rechtslage führt so dazu, dass der bauliche Zustand der Wohnungseigentumsanlage „versteinert“.

Daher bedürfen bauliche Veränderungen, die – dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, – dem Laden elektrisch betriebender Fahrzeuge, – dem Einbruchschutz und – dem Anschluss an ein Telekommunikationnetz mit sehr hoher Kapazität

dienen, nicht mehr der Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Vielmehr hat jeder Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Rechtsanspruch darauf. Die Eigentümerversammlung darf die Baumaßnahmen in der Regel nicht verwehren. Sie darf aber auf die Art der Durchführung der Maßnahme Einfluss nehmen und zum Beispiel beschließen, dass die Gemeinschaft die Baumaßnahme organisiert, damit diese den Überblick über den baulichen Zustand der Wohnanlage behält. Die Kosten der Maßnahme soll der begünstigte Wohnungseigentümer tragen. Diese Regelungen findet sich nunmehr in § 20 Absatz 2 WEG.

Auch jeder Mieter soll im Grundsatz einen Anspruch auf Umsetzung der obigen Maßnahmen haben.


2. Erleichterung baulicher Maßnahmen

Das geltende Recht wird dem Bedürfnis, den baulichen Zustand von Wohnungseigentumsanlagen an die sich stetig ändernden Gebrauchsbedürfnisse anzupassen, nicht hinreichend gerecht. Daher ist das Recht der baulichen Maßnahmen vereinfacht worden.

Bauliche Veränderungen können grundsätzlich mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden.

Diese Regelungen findet sich in § 20 Absatz 1 WEG.

Im Hinblick auf die Kosten baulicher Veränderungen wurde ein angemessener Ausgleich der womöglich widerstreitenden Interessen der Wohnungseigentümer gefunden. Die Kosten einer baulichen Veränderung nach § 21 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 WEG sind jetzt grundsätzlich von allen Wohnungseigentümern zu tragen, wenn die bauliche Veränderung mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, also der Beschluss nach § 20 Absatz 1 WEG eine solche Mehrheit erreicht hat.

Die Kosten energetischer Sanierungsmaßnahmen, die sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren, sind von allen Wohnungseigentümern zu tragen (§ 21 Absatz 2 Nr. 1 WEG).

Andere bauliche Veränderungen sind dagegen nur von den Wohnungseigentümern zu bezahlen, die für die bauliche Veränderung gestimmt haben (§ 21 Absatz 3 Satz 1 WEG). Umgekehrt sollen aber auch nur diese Wohnungseigentümer zur Nutzung des umgestalteten gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt sein (§ 21 Absatz 3 Satz 2 WEG).

3. Stärkung der Rechte der Wohnungseigentümer

3.1

Das Recht jedes Wohnungseigentümers auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen ist nunmehr ausdrücklich im Gesetz festgeschrieben (§ 18 Absatz 4 WEG). Daneben wird der Verwalter verpflichtet, für die Wohnungseigentümer jährlich einen Vermögensbericht zu erstellen, der über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Auskunft gibt (§ 28 Absatz 4 WEG).

3.2

Im Gesetz ist ausdrücklich klargestellt, dass Niederschriften unverzüglich nach der jeweiligen Versammlung zu erstellen sind (§ 24 Absatz 6 Satz 1 WEG)

3.3

Die Ladungsfrist ist von zwei auf drei Wochen verlängert (§ 24 Absatz 4 Satz 2 WEG) und dadurch den Wohnungseigentümern mehr Zeit eingeräumt, sich auf die Versammlung vorzubereiten, indem sie sich etwa zu bestimmten Themen beraten lassen.

Das Beschlussfähigkeitsquorum (§ 25 Absatz 3 WEG alte Fassung) ist aufgehoben. In Zukunft ist also jede Versammlung unabhängig von der Zahl der vertretenen Miteigentumsanteile beschussfähig.

3.4

Die Wohnungseigentümer können nunmehr mit einfacher Stimmenmehrheit über die Verteilung einzelner Kosten oder bestimmter Arten von Kosten entscheiden können (§ 16 Absatz 2 Satz 2 WEG).

Bisher war dies gemäß § 16 Absatz 4 WEG (alte Fassung) nur mit doppelt qualifizierter Mehrheit und nur im Einzelfall möglich.

3.5 Für die Wohnungseigentümer ist es zukünftig einfacher, sich von einem Verwalter zu trennen, mit dessen Arbeit sie nicht zufrieden sind. Das Abberufungsrecht der Wohnungseigentümer ist nicht mehr auf einen wichtigen Grund beschränkt (§ 26 Absatz 3 WEG). Damit wird der oft als sehr belastend empfundene Streit darüber vermieden, ob die Voraussetzungen für eine Abberufung vorliegen.

Nach § 19 Absatz 2 Nr. 6 WEG gehört zur ordnungsmäßigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums die Bestellung eines zertifizierten Verwalters. Der neue § 26a WEG regelt die Voraussetzungen, unter denen sich eine Person als zertifizierter Verwalter bezeichnen darf. Nach § 26 Absatz 1 WEG muss sie dafür vor einer Industrie- und Handelskammer durch eine Prüfung nachgewiesen haben, dass sie über die für die Tätigkeit als Verwalter notwendigen rechtlichen, kaufmännischen und technischen Kenntnisse verfügt.

3.6 Das Gesetz sieht vor, dass ein Wohnungseigentümer durch Beschluss ermächtigt werden kann, die Versammlung einzuberufen (§ 24 Absatz 3 WEG). Das erleichtert insbesondere in kleineren Gemeinschaften, die keinen Verwalter und keinen Verwaltungsbeirat bestellt haben, die Organisation von Versammlungen.

4. Stärkung des Verwaltungsbeirats

Die Tätigkeit im Verwaltungsbeirat soll attraktiver werden, indem die Haftung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt wird (§ 29 Absatz 3 WEG). Zudem können die Wohnungseigentümer die Größe des Verwaltungsbeirats nach den Bedürfnissen ihrer konkreten Gemeinschaft festlegen. Die bisher in § 29 Absatz 1 WEG (alte Fassung) vorgesehene Mindestanzahl fällt weg.

5. Nutzung der Möglichkeiten der Digitalisierung

Um die Möglichkeiten der Digitalisierung in diesem Bereich zu nutzen, können die Wohnungseigentümer ihre Versammlungen einer sogenannten Online-Teilnahme öffnen (§ 23 Absatz 1 Satz 2 WEG).

Umlaufbeschlüsse müssen nicht mehr zwingend schriftlich, also mit Unterschriften der Wohnungseigentümer versehen, gefasst werden. Stattdessen genügt die Textform (§ 23 Absatz 3 WEG). Dadurch wird erstmals eine elektronisch unterstützte Beschlussfassung ermöglicht. Die gesetzlichen Vorgaben stehen damit insbesondere der Fassung von einstimmigen Beschlüssen über entsprechende Plattformen oder Apps nicht mehr im Wege.

6. Rechtssicherheit in der Begründungsphase – werdende Wohnungseigentümeremeinschaft

Insbesondere beim Erwerb des Wohnungseigentums vom Bauträger stellte sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Vorschriften des WEG anwendbar sind, wann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsteht und wer zu welchem Zeitpunkt ihr Mitglied wird.

Nunmehr ist das Wohnungseigentumsgesetz bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher anwendbar; in diesem Zeitpunkt entsteht auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als sogenannte Ein-Personen-Gemeinschaft (§ 9a Absatz 1 Satz 2 WEG).

Das Gesetz regelt zudem, dass der Erwerber schon bei eingetragener Auflassungsvormerkung und Besitzeinräumung, also schon vor seiner Eintragung als Eigentümer im Grundbuch, berechtigt ist, sich wie ein Wohnungseigentümer an der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu beteiligen (§ 8 Absatz 3 WEG).

Die Vorschrift macht das richterrechtlich geschaffene Institut der sogenannten werdenden Gemeinschaft obsolet. Die Anwendbarkeit des WEG und die Entstehung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer werden zeitlich vorverlegt, da es nicht mehr darauf ankommt, wann eine Person die Eigenschaft als sogenannter werdender Wohnungseigentümer erwirbt.

7. Harmonisierung von Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht

Harmonisierungsbedarf mit dem Mietrecht besteht bei Baumaßnahmen in der Wohnungseigentumsanlage. Daher sieht das Gesetz sieht eine auf Baumaßnahmen bezogene Duldungspflicht des Mieters vor (§ 15 WEG).

Schließlich enthält der Entwurf auch Vorschriften zur Harmonisierung im Hinblick auf die Betriebskostenabrechnung. Denn bislang sieht das Mietrecht vor, dass die Betriebskosten grundsätzlich nach der Wohnfläche umzulegen sind (§ 556a Absatz 1 Satz 1 des BGB). Nach den Vorschriften des WEG ist für die Verteilung dagegen in der Regel der Miteigentumsanteil des Vermieters entscheidend (§ 16 Absatz 2 WEG). Daher ist nunmehr gemäß § 556a Absatz 3 BGB bei vermieteten Eigentumswohnungen die wohnungseigentumsrechtliche Verteilung maßgeblich. Das erspart aufwändige und fehleranfällige Umrechnungen bei der Erstellung einer Betriebskostenabrechnung für eine vermietete Eigentumswohnung.

8. Vereinfachung der Jahresabrechnung

Die rechtlichen Vorgaben für Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung wurden vereinfacht (§ 28 WEG). Denn gerichtliche Auseinandersetzungen in diesem Bereich sind vergleichsweise häufig.

9. Ordnung der Rechtsbeziehungen in der Gemeinschaft

Die Rechtsbeziehungen zwischen den Wohnungseigentümern untereinander einerseits und zwischen den Wohnungseigentümern und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer andererseits sind auch über zehn Jahre nach der WEG-Novelle 2007 nicht abschließend geklärt.

Diese Rechtsunsicherheit ist beseitigt, indem das Gesetz nunmehr der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Aufgabe zuweist, das gemeinschaftliche Eigentum zu verwalten (§ 18 Absatz 1 WEG). Dieses Konzept führt zu einer klaren Ordnung der Rechtsbeziehungen und ermöglicht es, ungeklärte Rechtsfragen nach allgemeinen rechtlichen Prinzipien zu lösen.

10. Stärkung der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft

Der Verwalter darf nunmehr ohne Beschluss der Wohnungseigentümer Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung treffen, mit denen keine erheblichen Verpflichtungen einhergehen. Gleiches gilt für eilbedürftige Maßnahmen (§ 27 Absatz 1 WEG).

Daneben haben die Wohnungseigentümer die Möglichkeit, die Zuständigkeiten des Verwalters durch Beschluss zu bestimmen, indem sie seinen Aufgabenkreis erweitern oder einschränken (§ 27 Absatz 2 WEG). Damit ist sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer stets die Herren der Verwaltung ihres gemeinschaftlichen Eigentums bleiben.

11. Stärkung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rechtsverkehr

Nach dem Konzept des WEG nehmen die Wohnungseigentümer über die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer am Rechtsverkehr teil.

In der Praxis wird dies jedoch dadurch behindert, dass potentielle Vertragspartner nach geltendem Recht nicht verlässlich ermitteln können, ob der Verwalter vertretungsberechtigt ist oder nicht. Das wirkt sich nicht nur zulasten des Rechtsverkehrs, sondern vor allem auch zulasten der Wohnungseigentümer aus.

In § 9b Absatz 1 WEG ist nunmehr u.a. geregelt, dass eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht des Verwalters gegenüber Dritten unwirksam ist.

12. Sondereigentumsfähigkeit von Freiflächen

Nach bisher geltendem Recht war es nicht möglich, das Sondereigentum auf außerhalb des Gebäudes liegende Teile des Grundstücks zu erstrecken. Es wurde regelmäßig auf Sondernutzungsrechte zurückgegriffen.

Die damit zusammenhängende Rechtsunsicherheit ist für Wohnungseigentümer auch deshalb belastend, weil der wirtschaftliche Wert etwa von Terrassen, Gartenflächen und Stellplätzen im Freien parallel zu den allgemeinen Immobilienpreisen steigt.

Diese Rechtsunsicherheit ist beseitigt, indem Sondereigentum auch auf Freiflächen erstreckt werden kann (§ 3 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 WEG).

Eine „Flucht in das Sondernutzungsrecht“ ist damit in den meisten Fällen entbehrlich.

13. Modernisierung des gerichtlichen Verfahrensrechts

Nach geltendem Recht muss ein Wohnungseigentümer, wenn er einen Beschluss gerichtlich anfechten will, alle übrigen Wohnungseigentümer verklagen.

Beschlussklagen sind künftig gegen die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten (§ 44 Absatz 2 WEG).

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